Naturismus ist ein Sammelbegriff für eine alternative Lebensphilosophie. Das Hauptanliegen ist es durch eine bewusstere, gesündere Lebenshaltung, sowie einen ökologisch effizienteren und freundlicheren Umgang mit der Natur und deren Ressourcen ein Gegengewicht zu den mannigfaltigen künstlichen und schädigenden Einflüssen der heutigen Zeit zu erreichen.
Der Naturismus, welchen man als idealistische/neoliberale (und sicher auch reaktionäre) Lebensweise bezeichnen kann, engagiert sich für einen sachlichen und differenzierteren Umgang der Gesellschaft mit unter anderem den Themen menschlicher Körper, natürliche Nacktheit und dem allgemeinen Verhältnis zwischen Mensch und Natur.
Dabei ist das Ideal eine ursprüngliche, symbiotische Beziehung Schöpfung-Natur-Mensch, wie sie laut biblischer Genesis gedacht war.
Jeder Mensch wird nackt geboren. Die heutige durch Doppelmoral geprägte, sexualisierte und negative Sicht vieler Menschen auf die Nacktheit ist ein Resultat jahrhundertelangem ideologischen Einflusses durch ehemals machthabende Institutionen und heute aufgrund des Einflusses von u.a. einer an Profit orientierten Modeindustrie, den Nebenwirkungen eines übertriebenen Materialismus, Hollywood und sämtlicher Mainstream-Einflüsse, der Sex-Industrie welche einen immensen Anteil daran trägt, dass Menschen heute kollektiv kaum zwischen Nacktheit und Sexualität unterscheiden können und zahlreichen anderen Einflüssen.
Der Naturismus lehnt Kleidung nicht prinzipiell ab, sieht in ihr aber eher das was sie primär ist. Ein Nutzgegenstand zum Schutz vor Kälte und Witterung. Die Kleidung hat heute in unseren Breitengraden einen so enormen Stellenwert eingenommen, dass sie quasi zu einer Art Diktatur geworden ist, Menschen in Klassen einordnet und ihr Tragen ohne auch nur annähernd hinterfragt zu werden als Selbstverständlichkeit und gesellschaftliches Muss gilt.
Selbst bei hohen Temperaturen im Sommer ist es im Grunde nicht mehr möglich, sich ihr öffentlich zu entledigen ohne durch andere Menschen dann bald negative Konsequenzen, Repressalien, Anfeindungen und Strafen erwarten zu müssen.
Dies ist ein Beweis dafür, wie weit der Mensch von seiner eigenen, ursprünglichen, nackten Natur entfernt ist und sich einer wunderbaren Freiheit, die uns von der Natur her geschenkt/in die Wiege gelegt ist, somit selber beraubt.
Das einzig gerechte Motto in einer wahrlich fairen und humanen Gesellschaftsordnung müsste heißen: Kleiderwahl - statt Kleiderzwang. Nicht nur weil eben Nacktheit das normalste und natürlichste überhaupt ist und etwas was wir als Menschen alle gemein haben, egal aus welchem Erdteil wir stammen, sondern auch weil es Millionen von FKK-affinen Menschen rund um den Globus gibt, aber nicht genug Akzeptanz seitens des Mainstream. "Gleichberechtigung haben wir, die wir gerne textilfrei in dieser Welt leben möchten sogar noch nicht mal ansatzweise".
Naturisten sehen in der nackten Lebensgestaltung eine Selbstverständlichkeit. Sie vermittelt Freiheit für Körper, Seele und Geist, Selbsterfahrung, intensives und ungefiltertes Wahrnehmen der Natur, der verschiedenen meteorologischen Witterungen und ungefilterte Lebensfreude. Da umso mehr persönliche Freiheit aber immer auch umso mehr Verantwortung (für andere wie auch für sich selbst) bedeutet, ist es von hoher Wichtigkeit (und allgemein unter wahren Naturisten auch üblich) Respekt vor anderem Leben zu haben. Sich gegenseitig zu akzeptieren, den anderen so zu nehmen wie er/sie ist.
Zu lernen andere Menschen nicht immer nach Äußerlichkeiten wie Aussehen, Besitz, Reichtum und sozialem Status etc. zu beurteilen, sondern nach Charakter und "inneren" Qualitäten. Wir sind als Naturisten nackt und schauen uns ins Gesicht. Denn wir sind weder Voyeure, noch Exhibitionisten, denn wir wissen wie der menschliche Körper aussieht und pflegen einen gesunden, respektvollen Umgang untereinander und wünschen, dass sich jeder Mensch jeden Geschlechts und jeden Alters zu jeder Zeit wohl und sicher fühlen kann.
Die Zeichen der Zeit deuten inzwischen langsam auf einen steigenden Trend zurück zur mehr Natur und Natürlichkeit. Wie schön wäre es doch, wenn dies auch im Mainstream ankäme, die Konsumprodukte, landwirtschaftlichen Erzeugnisse usw. Tier- und Umweltschonend gewonnen werden und nicht mehr nur der Profit großer Konzerne im Vordergrund stünde, sondern ein faires und harmonisches Miteinander alles Lebewesen auf diesem Planeten. Gleichzeitig dringend von Nöten ist eine Renaissance zwischenmenschlicher Werte für das Zusammenleben, sowie ein besseres Bewusstsein für den immensen Einfluss der Digitalisierung/Virtualisierung und wie wir diese so gestalten können, dass sie Menschen (insbesondere die heutigen und künftigen Generationen) nicht abstumpfen oder verrohen lässt.
Es wäre wünschenswert, dass Menschen sich kollektiv wieder mehr auf ihre ursprüngliche Natur und ihrer Verantwortung für diesen Planeten besinnen würden und auf dieser Tatsache einen neuen Wertekonsenz fundieren, in dem wirkliche Gerechtigkeit und mehr Respekt vor der Individualität anderer gedeihen kann.
Nur durch ein Leben nicht nur von, sondern auch für und mit der Natur kann den vielen physisch wie geistig giftigen Einwirkungen der heutigen Zeit entgegen gewirkt werden.
Text & Fotos: Markus Kuhlmann